Ambidextrie.

Die Kunst der Beidhändigkeit

In diesem Zusammenhang spricht man von Ambidextrie. Ambidextrie im Unternehmenskontext ist die Fähigkeit, gleichzeitig effizient im Tagesgeschäft zu agieren, dieses erfolgreich zu monetarisieren und sich flexibel auf neue Herausforderungen und Märkte einzustellen und diese zu aktiv gestalten. In Unternehmen mit etablierter Ambidextrie sind die Mitarbeiter Visionäre, die nicht nur auf den Markt reagieren, sondern ihn gestalten, indem sie zukunftsweisende Produkte, Dienstleistungen und Lösungen entwickeln.

Für deutsche Unternehmen ist Ambidextrie besonders relevant, da sie häufig mit der Notwendigkeit konfrontiert sind, langfristige Traditionen zu bewahren und gleichzeitig Innovationen voranzutreiben, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Fähigkeit ermöglicht es KMU oder Konzernen, ein Gleichgewicht zwischen der Nutzung vorhandener Ressourcen und der Erkundung neuer Möglichkeiten zu finden.

Die Herausforderung

Die Herausforderung bei der Etablierung einer Innovationskultur für KMU und Konzerne besteht darin, zu verstehen, dass es etwas anderes ist, bestehende Geschäftsmodelle, Portfolios oder Marken zu managen und zu verkaufen (EXPLOIT), als die Zukunft zu erfinden und neue Geschäftsmodelle oder Produkte auf den Markt zu bringen (EXPLORE). Dies erfordert einen sehr bewussten Einsatz der Ressourcen zwischen den Phasen Exploitation und Exploration. Genau hier liegt die Herausforderung, in beide Phasen und damit in zwei unterschiedliche Portfolios getrennt zu investieren. Das ist so, als würde man auf der einen Seite einer großen Lagerhalle das Dach reparieren, weil es undicht ist, und auf der anderen Seite Solarzellen für die Energiewende installieren.

Ambidextrie braucht einen Ort

Eine gelebte Innovationskultur, die Ambidextrie fördert, ist der Dreh- und Angelpunkt, der es Unternehmen ermöglicht, diese scheinbar widersprüchlichen Ziele zu vereinen. Sie schafft den Nährboden, auf dem sowohl die Effizienz des Kerngeschäfts als auch die kühne Erkundung neuer Horizonte, der Aufbruch in eine neue Zeit, gedeihen können. Dazu bedarf es einer räumlichen Verortung, in der Reibung entstehen kann, in der die verschiedenen Akteure zusammenkommen und in der eine kritische Masse an Menschen vorhanden ist. An einem solchen Ort werden die Mitarbeiter ermutigt, über den Tellerrand hinauszuschauen und Risiken einzugehen, während gleichzeitig die Bedeutung von Disziplin und Fokussierung nicht untergraben wird. Diese Orte, an denen Innovation stattfinden kann, vermitteln den verschiedenen Geschäftseinheiten, wie Innovation funktioniert, und unterstützen die Organisationsstrukturen. Die alte Architektur der Unternehmen ist weitgehend eine Architektur der Kontrolle. Sie macht eine Innovationskultur unmöglich.

Die Entwicklung und Pflege zweier Kulturen, die sowohl auf Exploitation (Nutzung vorhandener Ressourcen und Kompetenzen) und Exploration (Erkundung neuer Möglichkeiten) ausgerichtet sind, ist eine zentrale Herausforderung. Hier einige Handlungsempfehlungen:

1. Getrennte Einheiten für Exploitation und Exploration: Eine gängige Methode ist die Bildung getrennter Einheiten oder Teams innerhalb des Unternehmens. Ein Team konzentriert sich auf das Kerngeschäft und die Optimierung bestehender Prozesse (Exploitation), ein anderes Team auf Innovation, Forschung und Entwicklung neuer Ideen (Exploration).
   
   
2. Kultur der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Im Unternehmen sollte eine Kultur gefördert werden, die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit wertschätzt. Dies bedeutet, dass die Mitarbeiterinnen ermutigt werden, neue Ideen zu entwickeln und auszuprobieren, während gleichzeitig die bestehenden Prozesse und Traditionen des Familienunternehmens respektiert werden.
   
   
3. Ressourcenallokation und Unterstützung: Die Unternehmensführung muss sicherstellen, dass sowohl Exploitations- als auch Explorationsaktivitäten angemessen finanziert und unterstützt werden. Dies beinhaltet die Zuweisung von Budgets, Zeit und Personalressourcen in einer Weise, die beide Ansätze fördert.
   
   
4. Führung und Vision: Die Unternehmensführung sollte eine klare Vision vermitteln, die sowohl Exploitation als auch Exploration umfasst. Sie sollten die Balance zwischen der Bewahrung des Bestehenden und der Offenheit für Neues vorleben.
   
   
5. Förderung von Lernen und Wissensaustausch: Ein kontinuierlicher Dialog und Wissensaustausch zwischen den auf Exploitation und den auf Exploration ausgerichteten Teams kann zu einer besseren Abstimmung und Integration der beiden Kulturen führen. Dies kann durch regelmäßige Treffen, gemeinsame Projekte und interdisziplinäre Teams gefördert werden.
   
   
6. Anreizsysteme und Leistungsbewertung: Anreizsysteme sollten so gestaltet sein, dass sie sowohl das Erreichen kurzfristiger operativer Ziele (Exploitation) als auch langfristige Innovations- und Entwicklungsarbeit (Exploration) belohnt werden.
   
   
7. Ausgewogene Risikobereitschaft: Familienunternehmen müssen eine ausgewogene Risikobereitschaft pflegen, die sowohl sichere, bewährte Ansätze als auch das Eingehen kalkulierter Risiken für Innovationen umfasst.

Mit diesen Handlungsempfehlungen kann ein Unternehmen erfolgreich eine duale Kultur entwickeln, die sowohl Exploitation als auch Exploration unterstützt, was für den langfristigen Erfolg entscheidend ist.

Gelebte Innovationskultur

Die größte Herausforderung für Unternehmen ist eine gelebte Innovationskultur. Bei der Exploration ist eine Kultur der Offenheit gegenüber neuen Ideen und der Flexibilität in der Herangehensweise von entscheidender Bedeutung. Diese ist in den wenigsten Unternehmen gelebt und etabliert. Sie beginnt damit, dass das Management ein Umfeld schafft, das Kreativität fördert und Innovation unterstützt. Darüber hinaus erfordert Exploration ein höheres Maß an Risikobereitschaft und Fehlertoleranz. Hier ist es wichtig, eine Mentalität zu fördern, die das Eingehen kalkulierter Risiken und das Lernen aus Fehlern als Teil des Innovationsprozesses betrachtet. Die Exploration profitiert oft von einem vielfältigen Team, das unterschiedliche Perspektiven und Ideen einbringen kann. Bei der Umsetzung kann es von Vorteil sein, ein Team mit spezialisierten Fähigkeiten und Erfahrungen zu haben, um spezifische Aufgaben effizient durchzuführen. Sowohl bei der Exploration als auch bei der Umsetzung müssen Ziele und Erwartungen klar definiert und kommuniziert werden. Bei der Exploration können diese Ziele weiter gefasst und offener für Interpretationen sein, während sie bei der Ausführung spezifischer und messbarer sind.